Rezension: Melanie Amann „Angst für Deutschland“

Mit „Angst für Deutschland“ hat die Spiegel-Redakteurin Melanie Amann ihr Buch über die Alternative für Deutschland (AfD) vorgelegt. Das Buch beginnt mit einem Geständnis der Autorin: „Man kann sagen, dass ich in bald vier Jahren als AfD-Berichterstatterin mehrmals versagt habe. Immer wieder habe ich die Entwicklungen der Partei falsch eingeschätzt, immer wieder musste ich meine Erwartungen korrigieren.(S.9)“ Deshalb habe sie dieses Buch geschrieben um die eigenen Irrtümer aufzuarbeiten und die AfD als Partei besser verstehen und erklären zu können. Mit diesen Erwartungen geht mit Sicherheit auch der Leser an dieses Buch heran. Und tatsächlich finden sich auf den 310 Seiten viele Informationen über Abläufe, Rivalitäten und Konflikte innerhalb der AfD. Der journalistische Blick ins Innenleben der Partei ist die große Stärke dieses Buches. Schwächen offenbart es jedoch in der Analyse von gesellschaftlichen Ursachen und ideologischen Hintergründen zum Phänomen AfD.

„Angst für Deutschland“ ist eine eingängige Lektüre, verständlich geschrieben und informativ. Amann verschafft dabei einen guten Überblick über die junge Geschichte der Partei und dessen Spitzenpersonal. So bietet das Buch Portraits von Lucke, Petry, Höcke, Gauland, von Storch, Meuthen und Pretzell. Dass die Stärken der Autorin dabei in juristischen und wirtschaftlichen Fragen liegen, merkt man etwa wenn sie über die Merkwürdigkeiten bei der Kontoführung des von Beatrix von Storch geführten Vereins „Zivile Koalition“ berichtet, deren Gelder Amann zufolge gerne mal für private Zwecke verwendet wurden. Ebenso weiß sie über Marcus Pretzells dubiose Firmen und die seltsamen Spendenpraktiken bei der AfD zu berichten.

Der interessanteste Teil des Buches ist die Rückschau auf die verschiedenen Allianzen und Brüche in den parteiinternen Machtspielen. Dabei wird die Partei vor allem in die Lager der Ideologen und der Karrieristen unterteilt. Amann berichtet gut informiert darüber wie von beiden Lagern der Sturz von Lucke auf dem Essener Parteitag im Juli 2015 vorbereitet und betrieben wurde. So beleuchtet die Autorin etwa die Rolle des neurechten Verlegers Götz Kubitschek bei der Entwicklung der Erfurter Resolution. Die Erfurter Resolution gilt als Gründungsdokument des rechten „Fügels“ der AfD. Auch in die Machtbalance in der AfD nach dem Erfurter Parteitag verschafft das Buch einen guten Einblick.

Die Portraits des AfD-Spitzenpersonals machen die Lektüre des Buches zwar leicht verdaulich, allerdings hat das Buch dadurch eine Tendenz zur Banalisierung. So wird Beatrix von Storchs Verhalten immer wieder auf ihre adelige Herkunft zurückgeführt. Zu von Storchs familienpolitischen Positionierung schreibt die Autorin: „Das Familienthema im weitesten Sinne ist von Storch bitterernst, anders als andere Positionen, die sie propagiert. Vielleicht liegt es daran, dass sie selbst kinderlos blieb.(S.66)“ Diese Psychologisierung und die Anwendung von banalen Charaktermasken, wo eigentlich die ideologischen Hintergründe sichtbar werden sollten, ist eine der großen Schwächen dieses Buches. So zum Beispiel auch bei Alexander Gauland, den die Autorin dem Typus des zornigen alten Herrn zuordnet: Deutschland vor 30 Jahren habe eher so ausgesehen, wie Gauland sich das vorstelle. Dass eine nostalgische Verklärung der Vergangenheit allerdings zum Kerngeschäft rechtspopulistischer Parteien gehört, schreibt die Autorin nicht. Die Charakterisierung Gaulands nimmt dabei seltsame Züge an, so schreibt Amann: „Obwohl er in der erzkonservativen Hessen-CDU politisch sozialisiert wurde, war Gauland nie eine Linkenfresser. Zum Ärger seiner Parteifreunde hielt er eine schützende Hand über manche linken Kulturschaffenden, zeigte sich immer tolerant und offen für Andersdenkende.(S.91)“ Als Staatssekretär in Hessen erlangte Gauland Ende der achtziger Jahre vor allem Bekanntheit durch den Versuch den Leiter der Verbindungsstelle zwischen Landesregierung und Kirchen Wirtz, durch seinen damaligen Parteifreund Eggerter zu ersetzen. Wirtz war SPDler, Eggerter ein CDUler mit einer Vergangenheit im rechtsradikalen Witikobund.

Auch bei der Untersuchung der Ursachen der Wahlerfolge der AfD vermag das Buch nicht zu überzeugen. Diese werden mit gesellschaftlichen Stimmungen, Krisen und Ängsten versucht zu erklären. Leider werden Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit von der Autorin nicht erwähnt. Über die Ursachen der Erfolge rechtspopulistischer Bewegungen und Parteien in Europa in den vergangenen beiden Jahrzehnten gibt es in den Sozialwissenschaften unterschiedliche Erklärungsansätze. Diese werden in „Angst für Deutschland“ weitgehend ignoriert, so dass zuweilen auch Metaphern über Gletscher und Klimawandel als Erklärung herhalten müssen. Melanie Amanns AfD-Buch hat seine Schwächen im analytischen Bereich. Eine Lektüre kann sich trotzdem lohnen, besonders für Leser die sich über die Netzwerke und Konflikte innerhalb der AfD informieren wollen.

Melanie Amann: Angst für Deutschland – Die Wahrheit über die AfD: wo sie herkommt, wer sie führt, wohin sie steuert. 320 Seiten, 2017, Droemer-Knaur

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