Plattform der Neuen Rechten Gab.ai: Die Zivilgesellschaft kann sich zurücklehnen – auf die Justiz wartet dagegen viel Arbeit

Gab.ai hat seine Pforten geöffnet. Lange Zeit konnte man nur auf Einladung Mitglied der Plattform werden, die von Aktivist*innen der amerikanischen Alt-Right-Bewegung gegründet wurde. Seit einigen Wochen kommt jede*r mit ein paar Klicks rein. Zu bestaunen gibt es auf dem Twitter-Klon wenig Neues. Aber man bekommt einen Eindruck davon, was die Neue Rechte unter Meinungsfreiheit versteht: Volksverhetzung.

#freekolja ist gerade das große Ding auf Gab.ai. Was den gesperrten Twitter-Account so besonders macht, erschließt sich wohl nur Szene-Insidern. Jedenfalls gehört es gerade zum guten Ton die Beiträge von Kolja B. zu teilen und seine Sperre auf Twitter zur Staatskrise zu erklären. Ähnlich wie beim aktuell gehypten Kolja B. kommen einem viele der Profilnamen auf Gab.ai von Twitter bekannt vor: Man kennt sie als rechte Trolle, die linke Hashtags kapern und gefühlt im Minutentakt Hasspostings absondern. Man kennt sie auch als Freunde der Alternative für Deutschland.

Die Partei bemüht sich derzeit ebenfalls der Plattform Rückenwind zu verschaffen. Noch sind nicht die großen Namen der Partei aktiv (obschon Accounts auf ihre Namen für sie „reserviert“ sind, was auch immer das bedeuten mag). Neben einem allgemeinen Partei-Account, posten Funktionäre wie der Essener Guido Reil, der Spitzenkandidat aus Schleswig-Holstein, Jörg Nobis, sowie einzelne Kreisverbände. Die aktiven AfD-Accounts werben für den Umstieg auf die Plattform und vermelden neue offizielle Profile der Partei und ihrer Mitglieder. Scheinbar setzen die angemeldeten AfD-ler große Hoffnungen in das junge Angebot, wie ein Post der AfD Paderborn zeigt:

Eine Strategie, die noch peinlich werden könnte, wenn man bedenkt welche Inhalte Gab.ai-User posten. Quelle: gab.ai

Fraglich ist, wen die Partei eigentlich auf dieser Plattform zu erreichen glaubt. Gegründet wurde Gab.ai von Aktivist*innen der Alt-Right-Bewegung in den USA. Alt-Right steht für „alternative right“ und die Bewegung erlangte internationale Aufmerksamkeit durch ihre Online-Propaganda für Donald Trump während des Präsidentschaftswahlkampfs. Nach Trumps Sieg kursierten auf YouTube Videos die dokumentieren, wie Protagonisten der Bewegung den Hitlergruß zeigen. Als Macher der Plattform gilt Andrew Torba. Sein wenig bescheidener Profilname auf Gab lautet: @a. Vor zehn Tagen bejubelte er die deutschen Mitglieder weil sie nach den USA die zweitgrößte Nutzer-Gruppe auf der Plattform darstellten.

Der Gab.ai-Gründer freut sich über eine wachsende deutsche Community auf der Plattform. Quelle: gab.ai

Der Sinn von Gab.ai ergibt sich nicht unbedingt aus den Funktionen des Dienstes. Im Grunde kann Gab dasselbe, was Twitter kann – oder soll dies in Zukunft können. Sinn und Zweck von Gab.ai erschließt sich aus den Richtlinien der Plattform. Konkret aus dem, was dort nicht steht: Nahezu alle seriösen Social-Media-Dienste verbieten in ihren Guidelines rassistische oder hasserfüllte Inhalte. Gab tut dies ausdrücklich nicht. Verboten sind hier lediglich illegale Pornografie, Waffenhandel und terroristische Aktivitäten. Die Macher sehen in diesem unrühmlichen Alleinstellungsmerkmal eine Art selbstlosen Einsatz für das Recht auf Meinungsfreiheit.
Schaut man sich an, wer hier sich auf Gab tummelt und in seiner Meinungsfreiheit eingeschränkt sieht, wird klar, worum es auf dieser Plattform geht: All jene „Persönlichkeiten“, die es in den vergangenen Jahren mit Hetze gegen Geflüchtete zu trauriger Berühmtheit brachten, geben sich hier die Klinke in die Hand: die Dresdner OB-Kandidatin Tatjana Festerling, PEGIDA-Frontmann Lutz Bachmann, Katzenbuch-Autor Akif Pirincci, Martin Sellner von der Identitären Bewegung und Co. Gab.ai fungiert zweifelsohne als Tummelplatz für den rechten Rand der Gesellschaft.
Neues entsteht auf diesem Tummelplatz allerdings (noch) nicht. Abgesehen vom Hashtag #freekolja erzielen kaum Themen und Postings Resonanz. Die meisten Gab.ai-Profile erwecken den Eindruck öffentlicher Pinnwände, auf die niemand drauf schaut.

Wenn man drauf schaut, dann sieht man vor allem: hässliches bis hin zu Strafbarem. Beliebt, das kennt man von Rechtsradikalen auf anderen Plattformen, sind Horrormeldungen von angeblichen Straftaten von Menschen mit Migrationshintergrund. Ansonsten merkt man der Plattform an, dass Diskriminierung und Rassismus nicht verpönt sind. Drastische Memes, volksverhetzende Aussagen, Holocaustleugnung, Aufrufe zu Gewalt – all das geht hier durch.

In Sachen Vernichtungsfantasien macht die „Neue Rechte“ keinen Hehl aus ihren Vorbildern. Quelle: Gab.ai (im Original: Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unverpixelt)

 

achtsegel.org – Einschätzung: Counter-Speech ist hier Zeitverschwendung. Aber die Justiz ist gefordert.

Wie also umgehen mit Gab.ai? Die nächste Plattform, auf der man Counter-Speech leisten sollte? Aus unserer Sicht: klares Nein. Das Publikum auf Gab.ai besteht nahezu ausschließlich aus Menschen mit einem gefestigten rechtsradikalen und rassistischen Weltbild. Daran wird sich vermutlich auch nicht mehr viel ändern, da der Dienst keine Funktionen bietet, die nicht auch bei der Konkurrenz zu finden sind. Das niedrige Maß an Aufmerksamkeit und Resonanz, dass die User mit ihren Postings derzeit erreichen, könnte die Plattform bald uninteressant machen. Aktive Gegenrede wäre in diesem Fall sogar kontraproduktiv. Wer auf Gab.ai recherchieren möchte, kann dort durchaus fündig werden. Allerdings sind Dienste wie VK für die Recherche (noch) von größerer Relevanz.
Strafverfolgungsbehörden und Justiz sind dagegen gefordert: Viele Inhalte auf Gab.ai wirken volksverhetzend und stellen Straftaten dar. Ein Staat, der Hass im Netz als Problem erkennt, darf vor Gab.ai nicht die Augen verschließen.

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