Rezension „The Extreme gone Mainstream“

Seit Anfang der 2000er Jahre gibt es in deutschen Neonazi-Szene einen modischen Umbruch. Das klassische Klischee des Stiefelnazis ist längst überholt. Stattdessen haben sich rechtsradikale Modelabels breitgemacht, die ihre Bekleidung mit Codes oder Symbolen besticken, die rechtsradikale Inhalte versteckt transportieren. Die Aufklärung und Decodierung dieser Symbolwelt, wie es etwa das Projekt „Das Versteckspiel“ betreibt, gehört deshalb seit Jahren zur präventiven Arbeit gegen Rechtsradikalismus dazu. Die amerikanische Soziologin Cynthia Miller-Idriss hat nun ihrem Werk „The Extreme gone Mainstream“ versucht sich diesem Phänomen wissenschaftlich zu nähern.

Miller-Idriss ist Professorin an der American University in Washington und zwei Jahrzehnte in Deutschland geforscht. „The Extreme gone Mainstream“ ist nach „Blood and Culture“ bereits ihr zweites Buch, das sich mit der radikalen Rechte in Deutschland befasst. Ausgehend von den Veränderungen bei der Bekleidung von Rechtsradikalen in den 2000er Jahren geht die Autorin der These nach, dass sich die rechtsradikale Subkultur stärker dem Mainstream geöffnet hat. Dabei spielt die Mode eine zentrale Rolle. Rechte Modelabels bieten Produkte an, die mit ihren codierten Aussagen für junge Menschen einen vermeintlich rebellische Außendarstellung vermarkten und gleichzeitig einen Einstiegsweg in die rechte Szene bilden können. Miller-Idriss nutzte dabei umfangreiches Bildmaterial von rechten Demos und Aufmärschen aus dem letzten Jahrzehnt. Um zu untersuchen wie diese Produkte auf Jugendliche wirken, hat sie zudem an zwei Berliner Berufsschulen 51 Interviews mit Schülern durchgeführt.

In ihrem Buch unterteilt sie die Symbolik der Rechten dabei in unterschiedliche Themenbereiche, die sie in aufeinanderfolgenden Kapiteln abarbeitet: Ein Kapitel beschäftigt sich Zahlencodes der rechten Szene und wie diese von den Befragten Schüler interpretiert werden. In einem weiteren Kapitel beschäftigt sich die Autorin mit mythologische Symbole und historische Anspielungen, die das Geschichtsbild von Rechtsradikalen transportieren und dazu beitragen ein verzerrtes Bild der Geschichte und von nationaler Identität zu konstruieren. Das anschließende Kapitel beschäftigt sich Gewalt- und Todessymbolik auf rechten Modeartikeln die, nach der Autorin, Aggressivität und Furchtlosigkeit transportieren sollen. Ein weiter Kapitel beschäftigt sich mit den Männlichkeitskonstrukten die in der rechten Mode auftauchen.

Das Buch gibt einen systematischen und tiefen Einblick in die Wirkung von rechten Modelabels auf Jugendliche. Für eine intensive Beschäftigung mit dem Thema ist es sehr zu empfehlen.

Cynthia Miller-Idriss: The Extreme Gone Mainstream. Commercialization and Far Right Youth Culture in Germany. 276 Seiten, 2018

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